Regelmäßig stellt das Branchen-Fachmagazin „Energie & Management“ das Blockheizkraftwerk (BHKW) des Monats vor. Im Oktober ging diese Auszeichnung an die MIT.BIO Biogasanlage Großen-Buseck GmbH, an der die Stadtwerke Gießen (SWG) mit 51 Prozent beteiligt sind. Die SWG betreiben auch die beiden BHKW auf dem Gelände des Landwirtschaftsbetriebs Klos, Mitgesellschafter sowie Lieferant von Mais und Gras zur Biogasproduktion.
„Effizienz, Nachhaltigkeit und Klimaschutz“, das seien die Charakteristika der Anlage, schreibt „Energie & Management“ in der Oktoberausgabe. Schlüsselbegriffe, die auch Matthias Funk, Leiter der Abteilung Fernwärme bei den SWG, für wesentlich hält: „Unser Konzept basiert darauf, Rohstoffe aus der Region zu nutzen, um Wärme und Strom direkt vor Ort zu produzieren. Wir haben außerdem großen Wert darauf gelegt, einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erzielen, was gelungen ist.“ Stefan Seibel, Projektleiter in der Abteilung Fernwärme, fügt hinzu: „In puncto Ökologie und Wirtschaftlichkeit zählt die vergleichsweise klein dimensionierte Anlage deutschlandweit zur Spitzengruppe.“
Vorteil Wärmenetz
Beide BHKW verfügen über eine elektrische Leistung von jeweils 185 Kilowatt (kW) und über eine thermische Leistung von je 275 bis 300 kW. Effizient und besonders klimafreundlich laufen die Motoren unter anderem, weil sie über einen zusätzlichen Wärmetauscher verfügen, der auch die Abgaswärme ausnutzt und sie dem Heizsystem zuführt. Erst diese Technik ermöglicht einen Wert von 275 kW und bei entsprechender Rücklauftemperatur sogar von 300 kW. So steigt der thermische Wirkungsgrad gegenüber einem BHKW ohne Abgaswärmetauscher von 51 auf 61 Prozent – der Gesamtwirkungsgrad auf 97 Prozent. Matthias Funk erläutert: „Die Wärme der Aggregate vollständig zu nutzen, hat Vorrang vor einer möglichst hohen Stromeinspeisung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Im Sommer betreiben wir daher abwechselnd nur jeweils eines der zwei BHKW.“
Eine „möglichst vollständige Nutzung“ der Wärme wie sie Matthias Funk anführt, ermöglicht vor allem das nahegelegene und rund 1,5 Kilometer lange Wärmenetz in Großen-Buseck, das die SWG in der Gemeinde bereits seit 1995 betreiben. Ursprünglich speisten ein BHWK und ein Gaskessel – beide nutzen Erdgas als Brennstoff – die Heizenergie für die angeschlossenen Liegenschaften ein. Etwa 100 Wohnhäuser, die örtliche Schule, das Schwimmbad und die Sporthalle werden über das Wärmenetz versorgt. Seitdem die Motoren der Biogasanlage die Wärmeproduktion übernommen haben, läuft der Ergaskessel nur noch zu Spitzenlastzeiten. Dazu zählen beispielsweise die Morgen- und Abendstunden während der Wintermonate.
Eine von Bosch entwickelte Steuerung regelt den Einsatz der beiden BHKW der Biogasanlage – und zwar immer entsprechend des Wärmebedarfs. Von der SWG-Leitwarte aus können die Spezialisten außerdem jederzeit manuell eingreifen. „Uns standen zahlreiche Stellschrauben zur Verfügung, über die sich die Effizienz und damit der Klimaschutz verbessern ließen. Der Erfolg basiert darauf, dass wir alle ein wenig justiert haben, auch wenn das zum Teil einen größeren Aufwand als üblich bedeutete. Es hat sich gelohnt. Denn mithilfe der wirtschaftlichen Modellanlage in Großen-Buseck können wir zeigen, was möglich ist, wenn man sich hohe Ziele steckt“, betont Stefan Seibel.
Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung
Die Biogasanlage trägt heute dazu bei, den CO2-Ausstoß in der Gemeinde um jährlich rund 4000 Tonnen zu reduzieren. Ein Verdienst, der auch auf das Konto der Kooperation mit der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) und der Justus-Liebig-Universität (JLU) geht. Wissenschaftler der THM und der JLU haben gemeinsam mit den Stadtwerken daran gearbeitet, die Gärprozesse in der Biogasanlage zu optimieren – also den Brennstoffertrag aus der vorhandenen Rindergülle, dem Mais und dem Gras zu steigern. Erst dieser Schritt ermöglichte es, mit einer relativ kleinen Anlage ausreichend Biogas für zwei BHKW zu produzieren.
„Sicher, man hätte auch einen größeren Fermenter hinstellen können“, sagt Stefan Seibel. Dies hätte jedoch zur Folge gehabt, eine wesentliche Vorgabe aus den Augen zu verlieren. Denn das gesteckte Ziel lautete: sämtliche Rohstoffe aus der nahen Umgebung beschaffen und gleichzeitig Monokulturen vermeiden.
Wichtige Erkenntnisse gewonnen
Die gewonnenen Erfahrungen beim Bau und Betrieb der Biogasanlage in Großen-Buseck wollen die SWG einsetzen, um die Energiewende in der Region weiter zu forcieren. Vorhandene Ressourcen vor Ort nutzen, statt ausschließlich auf Brennstoff aus dem Nahen Osten oder Russland zu setzen, so die Strategie. In Heuchelheim haben die Stadtwerke daher in diesem Jahr eine zweite Biogasanlage gebaut, für die die gleichen Maßstäbe gelten wie in Großen-Buseck.
Derzeit läuft der Probebetrieb. Zur Biogasproduktion werden Rindergülle und Rindermist aus dem Betrieb der ansässigen Landwirte Torsten und Hans Klug sowie Gras- und Maissilage eingesetzt – im Verhältnis 60 zu 40. Auch bei der neuen Anlage gilt: Um den Bedarf an Mais und Gras zur Vergärung zu decken, reicht es aus, die jeweiligen Anbauflächen nur in geringem Maß auszuweiten. Anfahrts- und Lieferwege sowie der optimale Mix der Biomasse spielten eine entscheidende Rolle bei der Planung. Zudem arbeiteten die SWG erneut mit der Technischen Hochschule Mittelhessen zusammen, um die Gärprozesse zu optimieren.
Mithilfe des Biogases wird das BHKW auf dem Gelände künftig mehr als 2 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr erzeugen – ausreichend für den Bedarf von etwa 600 Haushalten. Weiterhin produziert das BHKW über 3 Millionen kWh Wärme jährlich. Genug, um rund 160 Einfamilienhäuser in der Umgebung mit regenerativer Energie aus der Region zu versorgen. Geplant ist ein Anschluss der Anlage ans Fernwärmenetz der Firma Rinn & Cloos sowie ans Wärmenetz des Baugebietes nahe des Schwimmbads.
Nach den Vorbildern Großen-Buseck und Heuchelheim wollen die Stadtwerke künftig weitere Projekte angehen – allerdings immer mit der Maxime, die Matthias Funk für wichtig hält: „Biogas gehört zum Energiemix der SWG. In dem Maßstab, wie wir ihn heute und in Zukunft einsetzen, ist er absolut sinnvoll – wirtschaftlich, ökologisch und im Interesse der Bevölkerung.“