Wo steht Gießen in Sachen Energiewende? Die Antwort darauf gibt ein aktueller Energiebericht der Stadtwerke Gießen. Am 3. Februar stellten Matthias Funk, Technischer Vorstand der SWG, und Stadträtin Astrid Eibelshäuser die wichtigsten Ergebnisse vor und zogen eine positive Bilanz.
Die Vorgaben der Bundesregierung sind klar: Bis zum Jahr 2020 sollen Treibhausgas-Emissionen und Primärenergiebedarf sinken, der Anteil erneuerbarer Energien am Strombedarf sowie am Gesamtenergieverbrauch steigen. In ihrem aktuellen Energiebericht zeigen die Stadtwerke Gießen (SWG), dass die Stadt Gießen mit ihren über 80000 Einwohnern auf einem guten Weg ist, diese umweltpolitischen Ziele zu erreichen.
Positive Energiebilanz
Deutliche Erfolge kann die Stadt zum Beispiel bei der Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen vorweisen. So entfielen im Jahr 2014 nur noch 7,5 Tonnen klimaschädliche Treibhausgase auf jeden Gießener Bürger – das sind 2,8 Tonnen weniger als noch 1990. „Es ist uns gelungen, die Emissionen in diesem Zeitraum um 27 Prozent zu senken“, betont Matthias Funk, Technischer Vorstand der SWG. „Es freut uns sehr, dass Gießen eine so gute Bilanz aufweist und die Entwicklung während der vergangenen Jahre so positiv verlaufen ist. Wir sind auf einem sehr guten Weg“, fasst Stadträtin Astrid Eibelshäuser die Ergebnisse des Energieberichts zusammen.
Parallel zur Reduktion der Treibhausgase haben die SWG auch den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung deutlich gesteigert: 2014 lag er bei rund 26 Prozent. Mit diesem Wert gehört die Stadt Gießen bei der Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien bereits heute zu den Vorreitern.
Ausbau der regionalen Erzeugung
Besonders bemerkenswert ist der hohe Anteil an eigenproduziertem Strom in der Stadt. Dieser lag 2014 bei über 47 Prozent. Matthias Funk weist darauf hin: „Diese Steigerung hängt insbesondere damit zusammen, dass wir in den vergangenen Jahren das Wärmenetz und die klimaschonende Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) – also die kombinierte Produktion von Strom und Wärme – stetig vorangetrieben haben.“ Schon heute liefern die SWG ausschließlich sogenannten Gießener Grünstrom an Privathaushalte und Gewerbebetriebe – vollkommen unabhängig vom Tarif. 40 Prozent davon produzieren die SWG direkt vor Ort mithilfe der hocheffizienten KWK, die restlichen 60 Prozent stammen aus TÜV-zertifizierten Wasserkraftwerken. Bis 2020 peilen die SWG an, den Anteil des eigenerzeugten Stroms für Haushalte und Gewerbe auf 50 Prozent zu erhöhen.
Diese steigende regionale Strom- und Wärmeerzeugung trägt dazu bei, dass in Gießen deutlich weniger Treibhausgase emittiert werden als bei der getrennten Produktion dieser Energien in konventionellen Kraftwerken und Kesselanlagen. Welch großen Effekt die KWK und die Fernwärme in Sachen Energiewende haben, verdeutlicht Matthias Funk mit Zahlen zum Schadstoffausstoß: „Im Jahr 1990 konnten wir durch die dezentrale Erzeugung 20130 Tonnen Treibhausgase vermeiden. Bis 2014 hat sich dieser Wert mehr als vervierfacht ¬auf insgesamt 93350 Tonnen.“
Stromsparziel vorzeitig erreicht
Zum positiven Gesamtergebnis des Energieberichts passt auch der deutlich gesunkene Stromverbrauch in Gießen. Lag er im Vergleichsjahr 2008 noch bei 5,3 Megawattstunden (MWh) pro Einwohner, waren es 2014 nur noch 4,4 MWh. Das bedeutet eine Einsparung von rund 17 Prozent. Zum Vergleich: Das Ziel der Bundesregierung für diesen Zeitraum liegt bei gerade einmal 10 Prozent. Somit haben die Stadt Gießen, die Gewerbetreibenden und alle Einwohner diese Vorgabe sogar um 70 Prozent übertroffen.
SWG setzen auf erneuerbare Energieträger
Der Energiebericht zeigt außerdem, dass die Gießener pro Kopf immer weniger Primärenergie –Erdgas, Heizöl oder Benzin – verbrauchen. Während dieser Wert im Jahr 2008 noch bei 37,8 MWh lag, ist er 2014 auf 33,6 MWh gesunken.
„Elf Prozent Einsparung innerhalb von nur sechs Jahren ¬– das ist eine außergewöhnlich gute Bilanz“, fasst Matthias Funk zusammen. Großen Einfluss auf diese Entwicklung haben der reduzierte Stromverbrauch in der Stadt und der besonders niedrige Primärenergiefaktor. Dieser steht für das Verhältnis von eingesetzter Primärenergie zur abgegebenen Endenergie. Der Primärenergiefaktor im Gießener Fernwärmenetz lag 2014 bei gerade einmal 0,36. Zum Vergleich: Mit einem Primärenergiefaktor von 1,1 liegt ein gewöhnlicher Erdgasheizkessel deutlich darüber.
Diese Zahl lässt sich vor allem mit dem flächendeckenden Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung im Zusammenspiel mit einem gut ausgebauten Fernwärmenetz erklären. Zudem spielt der Faktor regenerative Energieträger eine entscheidende Rolle. Die Stadtwerke Gießen haben den Anteil der eingesetzten fossilen Energieträger schrittweise zugunsten klimaneutraler Brennstoffe verringert. „Wir erzeugen unsere Fernwärme nur noch zu 36 Prozent aus fossilen Brennstoffen. Hinzugekommen sind mehrere Biomasseanlagen sowie die Thermische Reststoffbehandlungs- und Energieverwertungsanlage (TREA)“, erklärt Matthias Funk und ergänzt: „Der Energiebericht zeigt, dass wir mit dieser Strategie genau richtig liegen.“ Wenn die SWG ihre zweite TREA 2017 in Betrieb nehmen, wird der Primärenergiefaktor nochmals deutlich sinken – auf unter 0,2. Gießen wird dann deutschlandweit zur absoluten Spitzengruppe gehören.
Ausbaustrategie fortsetzen
Im Vergleich mit anderen Städten schneidet Gießen sehr gut ab, das belegt der Energiebericht. „Es gilt nun, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und unsere erfolgreiche Strategie durch neue innovative Ansätze zu ergänzen“, erklärt Matthias Funk.
Auch künftig gehe es darum, dass Stadt, SWG und Bürger die Energiewende gemeinsam vorantreiben. „Wir können zusammen zeigen, dass die ehrgeizigen Vorgaben der Bundesregierung zu erreichen sind. Wenn alle an einem Strang ziehen, dann wird uns das gelingen.“