Neuer Meilenstein für die Energiewende in der Region: Nach knapp sieben Monaten Bauzeit starteten die Stadtwerke Gießen kürzlich den Probebetrieb der neuen Biogasanlage in Heuchelheim.
Biogasanlagen besitzen wertvolle Eigenschaften für den Strommarkt der Zukunft. So lautet eine der zentralen Aussagen der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) in einem kürzlich veröffentlichten Hintergrundpapier. Eine der wichtigsten Thesen, die die AEE anführt: Bioenergie könne „die wetterabhängige Erzeugung von Solar- und Windenergieanlagen gut ausgleichen“. Damit gemeint ist der Einsatz von Bioenergie in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen). Denn Blockheizkraftwerke (BHKW) zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie sich flexibel steuern lassen.
Bei der Energiewende allein auf Fotovoltaik- und Windkraftanlagen zu bauen, das halten auch die Stadtwerke Gießen (SWG) für den falschen Weg. „Wir benötigen nicht nur Strom aus Wind und Sonne, sondern auch Erzeugungsarten, die grundlastfähig sind und sich zudem durch eine positive Umweltbilanz auszeichnen“, betont SWG-Vorstand Reinhard Paul.
Regionale Ressourcen nutzen
Auf den Ausbau der KWK in Gießen und Mittelhessen setzen die SWG bereits seit einigen Jahrzehnten. Eine zunehmend wichtigere Rolle in diesem Zusammenhang soll künftig die regionale Biogasproduktion spielen. „Statt ausschließlich Brennstoff aus dem Nahen Osten oder Russland zu verwenden, wollen wir vorhandene Ressourcen in der Region nutzen, um Strom und Wärme vor der eigenen Haustür zu produzieren“, erklärt Reinhard Paul. Die Biogasanlage der SWG in Großen-Buseck belegt seit 2011, dass dieses Modell erfolgreich funktioniert. Nun kommt ein zweiter Standort hinzu: Heuchelheim. Mitte Mai starteten die Bauarbeiten, Ende November ging die neue Biogasanlage auf dem Gelände der Landwirte Hans und Thorsten Klug in Probebetrieb.
2 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr
Die moderne, hocheffiziente Anlage zählt zu den wichtigen Bausteinen der Energiewende in der Region und trägt dazu bei, klimaschädliches CO2 einzusparen. Kurze Anfahrts- und Lieferwege sowie ein optimaler Mix der Biomasse mit hohem Gülleanteil für den Standort Heuchelheim spielten bei der Planung eine tragende Rolle. Das Besondere: Die Anlage wurde so konzipiert, dass sie mit der vor Ort vorhandenen Biomasse effizient arbeitet. Die Gülle gelangt auf direktem Weg aus dem Stall in den Fermenter der Biogasanlage. Zudem liefern die Bauern auch Futtermittelreste und Festmist als Biomasse. Die kurzen Wege sorgen dafür, dass die Anwohner keine Geruchsbelästigung befürchten müssen. Und für die Bauern hat es den großen Vorteil, dass sie die nährstoffreichen Gärreste als Dünger auf ihre Felder ausbringen können – und damit auf einen Großteil Kunstdünger verzichten können.
Am Projekt arbeitete – wie bereits in Großen-Buseck – die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) mit. „Gemeinsam mit der THM optimieren wir die Gärprozesse. Dadurch erzielen wir eine noch höhere Effizienz, wie die Biogasanlage in Großen-Buseck belegt. Sie gehört deutschlandweit zu den effizientesten. Ein Erfolg, an den wir in Heuchelheim anknüpfen wollen“, betont SWG-Projektleiter Stefan Seibel.
Auf dem Gelände der Landwirte Klug wird ein Blockheizkraftwerk (BHKW) künftig mehr als 2 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr erzeugen. Das reicht für etwa 600 Haushalte. Zudem produziert die KWK-Anlage über 3 Millionen kWh Wärme jährlich – genug für rund 160 Einfamilienhäuser. Mit der Heizenergie sollen das Gewerbegebiet Rinn & Cloos sowie das bereits bestehende Wärmenetz im Bereich des Heuchelheimer Schwimmbads versorgt werden.
In der Region wollen die SWG in den kommenden Jahren weitere Projekte wie in Großen-Buseck und Heuchelheim umsetzen. Biogas gehöre als Brennstoff zu einem intelligenten Energiemix, versichert Matthias Funk, Leiter der Abteilung Fernwärme bei den SWG, und weist darauf hin: „In dem Maßstab, wie wir Biogas einsetzen, ist es absolut sinnvoll – aus wirtschaftlicher Sicht und im Interesse der Bevölkerung in der Region Mittelhessen.“