„Die Wasserpreise der Stadtwerke sind nicht – wie uns der hessische Wirtschaftsminister glauben machen will – überhöht“, widerspricht der Vorstandsvorsitzende des hiesigen Wasserversorgers, Manfred Siekmann, nachdem gestern die Erläuterungen der hessischen Kartellbehörde bekannt wurden. So gäbe es genügend hessische Städte und Gemeinden, deren Wasserversorgung nach öffentlich-rechtlichen Organisationsformen durchgeführt wird und deren Gebührenhöhe die Preishöhe der SWG deutlich übersteige, führt Siekmann weiter aus. Als ein herausragendes Beispiel von vielen nannte Siekmann Grävenwiesbach: So zahlen dort die Bewohner für die von der Kartellbehörde herausgestellten 150 Kubikmeter Jahresverbrauch 479,57 Euro, also 117,41 Euro oder mehr als 32% mehr als die von den Stadtwerken Gießen versorgten Bürgerinnen und Bürger. Und das, obwohl bei einer solchen Gebührenordnung in aller Regel längst nicht alle Leistungen inbegriffen sind, wie es bei einer privatrechtlich organisierten Wasserversorgung der Fall ist. Als Beispiel nannte der Diplom-Kaufmann die Wiederherstellung des Wasserhausanschlusses nach Ablauf der regulären Nutzungszeit. Diese Leistung sei bei den privaten, die ihre Wasserversorgung gemäß der „Allgemeine Versorgungsbedingungen“ (AVBWasserV) durchführten, im Preis mit eingerechnet. Das alleine mache schon etwas mehr als 30 Cent pro Kubikmeter aus.
Die Tatsache, dass das Gießener Verfahren im Juni 2002 seinen Anfang nahm und bislang noch weit von einer abschließenden Beurteilung seitens der Kartellbehörde war, zeige außerdem, dass man es in Gießen sicherlich nicht mit den höchsten der in Frage gestellten Preise zu tun habe.
Ein weiteres „Leistungs-Plus“ für die Gießener Wasserversorgung, die die Stadt von anderen Versorgungssituationen hinsichtlich der Kostensituation deutlich unterscheide, sei in der Mitgliedschaft im Zweckverband der Mittelhessischen Wasserwerke (ZMW) begründet. Hierdurch sei es gewährleistet, dass die Gießener Bürgerinnen und Bürger von einer doppelten Versorgungssicherheit profitieren. „Im Falle eines Versorgungsausfalles aus unserem Queckborner Wasserwerk ist es hier in dieser Stadt möglich, die gesamte Wasserversorgung auf die Versorgung durch den ZMW umzustellen“, erläutert Siekmann. Bewiesen haben das die SWG bereits im Jahr 1995.
Als die Stadt Gießen Mitte des letzten Jahrhunderts dem Vor-Vorgängerverband des heutigen ZMW beitrat, waren es zunächst einmal andere Gründe, die die damaligen Stadtväter zur Mitgliedschaft bewogen. Bedingt durch die gestiegene Einwohnerzahl, Flüchtlinge und Besatzungsmannschaften, ging man in den Nachkriegsjahren von exorbitant steigendem Wasserverbrauch in den folgenden Jahrzehnten aus, so dass alleine aufgrund dieser Mengenprognose ein weiteres Standbein der Wasserversorgung zwingend notwendig war. Diese Mengenprognose wurde bei der vertraglichen Preisgestaltung für die Mitglieder im ZMW zugrunde gelegt, aber in der Realität – insbesondere durch den Verbrauchsrückgang der letzten Jahrzehnte – nicht verwirklicht, was dazu führt, dass die Gießener Stadtwerke nun sogenannte Leerkosten für eine nicht abgenommene, aber vertraglich ver-einbarte Menge zu zahlen haben.
„Wichtig ist mir, dass klar wird, dass wir hier in Gießen Wasserpreise haben, die einem Vergleich stand halten und das man hier durchaus von einer außergewöhnlichen Kostensituation sprechen kann“, fasste Siekmann abschließend zusammen.