Strengere Verordnungen stellen viele Kommunen vor eine Herausforderung: wohin mit dem Klärschlamm? Die Stadtwerke Gießen und die Mittelhessischen Wasserbetriebe haben in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Mittelhessen ein Konzept erarbeitet, eben jene Rückstände der Abwasserreinigung energetisch und stofflich zu verwerten. Die beiden Partner informierten politische Entscheider aus der Region am 7. November zum Stand der Dinge und warben für ihr wegweisendes Projekt.
In Deutschland ist eine funktionierende hoch effektive Abwasserreinigung gang und gäbe. Die aus dem Abwasser entfernten Inhaltsstoffe werden noch auf den Klärwerken aufwändig behandelt und dann als Klärschlamm einer Verwertung zugeführt. In der Region Mittel- und Nordhessen gelangte der Schlamm üblicherweise als Dünger in der Landwirtschaft. Doch mit dieser über Jahrzehnte erfolgten Praxis ist jetzt Schluss. Die 2017 novellierte Abfallklärschlammverordnung und die ebenfalls veränderte Düngeverordnung setzten ihr ein Ende. „Wir müssen also eine andere Verwertung für den anfallenden Klärschlamm finden“, formulierte es Clemens Abel, Leiter der Mittelhessischen Wasserbetriebe (MWB), anlässlich einer Infoveranstaltung. Die MWB und die Stadtwerke Gießen (SWG) hatten am 7. November Vertreter der Parlamente aus den umliegenden Kommunen dazu eingeladen.
Fertige Konzepte vorgelegt
Tatsächlich konnten die beiden regionalen Versorgungsunternehmen inzwischen eine für die gesamte mittelhessische Region hochinteressante Lösung für das Klärschlammproblem erarbeiten. „Wir können den Klärschlamm sammeln, trocknen und verbrennen“, führte Matthias Funk, Technischer Vorstand der SWG aus. Das macht den Klärschlamm zum regenerativen und damit CO2-neutralen Energieträger. Die dabei entstehende Wärme lässt sich als Fernwärme nutzen. Und die Asche des verbrannten Schlamms ist wegen ihres hohen Gehaltes an lebenswichtigem Phosphor ein hervorragender Ausgangsstoff für die Herstellung von Dünger.
Viele müssen mitmachen
„Um Klärschlamm energetisch zu verwerten, sind spezielle Anlagen nötig, die viel Geld kosten“, ergänzte Clemens Abel. Deshalb muss schon vor dem Start eines solchen Projekts feststehen, wie viele Kommunen sich daran beteiligen. Denn damit eine solche Anlage kostendeckend arbeiten kann, sind die Betreiber auf verlässliche Mengen Klärschlamm angewiesen. Die Planer gehen derzeit von mindestens 50.000 Tonnen jährlich aus.
Auch dieses Thema haben die Verantwortlichen bei MWB und SWG schon im Vorfeld der Infoveranstaltung bearbeitet. Neben einem technischen Konzept gibt es bereits ein rechtliches Modell, das eine interkommunale Zusammenarbeit regelt. Die Eckpunkte dieser Vereinbarung stellten Clemens Abel und Matthias Funk ebenfalls vor.
Betriebssicher und wirtschaftlich in die Zukunft
Mit ihrem Ansatz bieten MWB und SWG den Kommunen in der Region eine schlaue Lösung für das Klärschlammproblem. Fakt ist: Weil die neuen strengeren Verordnungen dessen landwirtschaftliche Nutzung auf ein Minimum reduzieren, sind die Kosten für die Entsorgung inzwischen für viele Kommunen auf über das Doppelte angestiegen. Dazu kommt noch, dass Betreiber von Kläranlagen verpflichtet sind, ab spätestens 2029 den im Schlamm enthaltenen Phosphor zurückzugewinnen. Auch das wird mit Kosten verbunden sein.
Kommunen, die sich an dem Projekt beteiligen, können sich nicht nur auf eine sichere Abnahme und rechtskonforme umweltgerechte Verwertung ihres Schlammes verlassen. Sie hätten damit zudem ihre Hausaufgaben, dem Land Hessen gegenüber bis 2023 verbindlich ihre Klärschlammverwertungsstrategie zu erklären, erledigt und den enormen Aufwand, die Verwertung des Schlammes zu organisieren, gespart.
Wichtige Befürworter
Vieles spricht also dafür, dass in den Stadt- und Gemeindeparlamenten eine Entscheidung für das interkommunale Projekt fällt. Aufgrund der Nachhaltigkeit und der hohen ökologischen Bedeutung des Vorhabens ist auch Gießens Stadträtin Gerda Weigel-Greilich von dem Projekt überzeugt. Sie verwies unter anderem darauf, dass ein solches Projekt „nicht nur das Klärschlammproblem löst, sondern zugleich noch die Wege kurz und die Wertschöpfung in der Region hält.“ Unterstützung für das Projekt kam auch vom Regierungspräsidenten Dr. Christoph Ullrich: „Uns ist bewusst, dass die Klärschlammverwertung nach den neuen Regularien für viele Kommunen eine Herausforderung darstellt. Deshalb hat das Regierungspräsidium ein ausgesprochen großes Interesse an einer sicheren und praktikablen Lösung wie sie das Gießener Konzept bietet.“
Mit ihrem weitgehend ausgearbeiteten Vorschlag bieten SWG und MWB den betroffenen Städten und Gemeinden eine schlüssige Option. Jetzt gilt es abzuwarten, wie sich die einzelnen Kommunen entscheiden. Angesichts der verfügbaren Alternativen stehen die Chancen gut, dass das wegweisende Projekt schon bald Realität wird.