Sicher im Sommer: Was tun bei Gewitter?

Praktische Tipps zum Überspannungsschutz. Außerdem: Warum Stromausfälle in Deutschland immer seltener werden.

Gießen. Der Sommer 2011 war bisher eher kühl und wechselhaft, zuletzt brachte er Mittelhessen sogar ein paar kräftige Regengüsse und kleinere Gewitter. Leider nicht so selten wie man glauben möchte führen solche Unwetter auch zu Blitzeinschlägen in Häuser oder deren nähere Umgebung. Den Stecker bei Gewitter zu ziehen, ist sicher eine Möglichkeit, aber bei der Vielzahl der Geräte heute oft keine praktikable Lösung mehr. Dabei sind Schutzmaßnahmen durchaus sinnvoll, weiß Frank Hoffmann, Chef der Netzgesellschaft MIT.N der Stadtwerke Gießen. „Schäden, die in Haushalt oder Betrieb durch Blitzeinschläge entstehen, sind teilweise enorm und werden eben nicht unbedingt vom äußeren Blitzschutz des Hauses abgewehrt“, sagt er.

Zwar seien viele Häuser mit einem äußeren Blitzableiter ausgestattet, der die gewaltigen Energiemengen eines direkten Einschlags in die Erde ableitet. Das allein reiche jedoch nicht aus, um Spannungsspitzen in den Stromleitungen des Gebäudes zu verhindern. Daher empfiehlt der Fachmann zusätzlich den Einbau eines gesonderten Überspannungsschutzes. Dieser Spannungsschutz im Keller schirmt nicht nur die Leitungen im Haus selbst ab, sondern auch die teure und zuweilen sehr sensible Haushalts- und Unterhaltungselektronik. Gerade die Mikroprozessoren von PCs und die Festplatten mit den vielen Gigabyte an wichtigen Dokumenten und Erinnerungsbildern sind gefährdet.

Auch für alle, die zur Miete wohnen und daher nicht selbst einen gesonderten Spannungsschutz für ihre Wohnung einbauen können, bleibt eine Lösung übrig. „Eine relativ günstige und unkomplizierte Alternative ist eine simple Steckdosenleiste mit Überspannungsschutz aus dem Baumarkt“, so Frank Hoffmann. Diese koste nicht viel und könne dennoch wenigstens die wichtigsten Geräte schützen.

Schutz brauchen übrigens auch Photovoltaikanlagen auf dem Dach – insbesondere die auf Metallständern montierte Variante. Stimmt hier der Blitzschutz nicht, ist das elektronische Herzstück der Anlage, der Wechselrichter, im Fall des Falles sofort hinüber. Wer Zweifel hat, sollte bei nächster Gelegenheit einen Fachmann zu Rate ziehen.


Richtig versichert

Neben den technischen Vorkehrungen ist ein guter Versicherungsschutz wichtig. Schließlich fallen Gewitterschäden unter „höhere Gewalt“, sind also per Definition nie ganz auszuschließen. Dabei ist entscheidend, dass die Versicherung nicht nur Schäden aus einem direkten Blitzeinschlag im Haus übernimmt, sondern auch sämtliche Überspannungsschäden, unabhängig davon, wo der Blitz einschlägt. Ein Blick ins Kleingedruckte der Police vermeidet böse Überraschungen im Falle der Regulierung.


Sicheres Stromnetz

Aber nicht alle Maßnahmen zum Gewitter- und Unwetterschutz muss der Bürger allein tragen. Auch die Versorgungswirtschaft, also Stadtwerke und Netzbetreiber, leisten einen Beitrag. Wer an seine Kindheit zurückdenkt, dem wird klar: Früher flackerte das Licht öfter mal und man hatte im Sommer selbstverständlich immer ein paar Kerzen griffbereit. Denn Stromausfälle waren bei extremen Wetterereignissen einfach häufiger als heute. Derzeit liegt der statistische Durchschnitt bundesweit bei etwa 15 Minuten, in Gießen und Umgebung sind es nur rund 11 Minuten. Zum Vergleich: In Österreich wird es rechnerisch pro Jahr 37 Minuten dunkel, in Italien 88 Minuten lang und in Frankreich sogar 159 Minuten. Der Netzchef in Gießen weiß warum: „Wir haben wie viele Netzbetreiber hierzulande in den vergangenen Jahren wo immer möglich die blitz- und sturmgefährdeten Freileitungen durch gut gesicherte Erdleitungen ausgetauscht“, so Frank Hoffmann. „Mittlerweile sind wir im Bereich der Mittelhessen Netz GmbH (MIT.N) bei einem Verkabelungsgrad von über 95 Prozent.“ Insgesamt betreuen die Stadtwerke Gießen über die MIT.N mehr als 2800 Kilometer Leitungen und über 700 kleinere Trafostationen.
Zur Ausfallsicherheit trägt aber auch die sogenannte Ringschaltung der fünf Gießener Umspannwerke mit ihren acht Hochleistungstransformatoren bei. Jeder einzelne wiegt ungefähr 60 Tonnen und transformiert den Strom des bundesweiten Höchstspannungsnetzes von 110 000 Volt auf 20 000 Volt herunter. „Kommt es zu einem Problem, reagieren unsere Mitarbeiter in der Leitstelle sofort und pendeln Spannung und Frequenz im Netz wieder neu aus“, erklärt Frank Hoffmann. „Das geht nur, weil wir beträchtliche Leistungsreserven bereithalten. So fahren wir unsere Trafos oft nur mit halber Leistung. Das klingt zunächst unvernünftig, aber wenn wir hier geizen würden, käme es wesentlich häufiger zu Ausfällen.“ Für Industrie und Gewerbebetriebe in und um Gießen wäre das unter Umständen extrem teuer, weil dort Stromausfälle nicht nur kurz das Licht flackern lassen, sondern teure Werkstücke und Maschinen ruinieren könnten.

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