Stadtwerke bauen LoRaWAN weiter aus

Weil sie viele Optionen eröffnet, ist die Funktechnik LoRaWAN auf dem Vormarsch. Die Stadtwerke Gießen haben bereits vor einem Jahr begonnen, ein entsprechendes Netz in der Innenstadt aufzubauen, das sie in den nächsten Monaten sukzessive erweitern.

 

 

Gießen. Schon seit etwa einem Jahr engagieren sich die Stadtwerke Gießen (SWG) für den Auf- und Ausbau eines LoRaWAN – also eines Long Range Wide Area Network. Dabei handelt es sich um eine besonders effiziente und gleichzeitig strahlungsarme Datenübertragung per Funk. Und ebendie eröffnet extrem viele sinnvolle Anwendungsoptionen, speziell für Unternehmen oder kommunale Einrichtungen. „Wir haben LoRaWAN für uns entdeckt, weil sich damit unter anderem Zählerstände einfach und kostensparend auslesen lassen“, erklärt Matthias Hery, bei den SWG für das Projekt zuständig. Tatsächlich ist das Wissen um aktuelle Zählerstände nicht nur für die Abrechnung nützlich. „Wer ein Energiemanagement betreibt, profitiert ebenfalls von den Möglichkeiten, die LoRaWAN in diesem Bereich bietet“, weiß Matthias Hery.

 

Gute Abdeckung in der Innenstadt

Aktuell verfügt das LoRaWAN der SWG über fünf sogenannte Gateways an strategischen Punkten. Das genügt, um die Gießener Innenstadt fast vollständig mit dem nützlichen Service abzudecken. Die speziellen Antennen empfangen die Daten aus den verschiedenen Sensoren und leiten sie weiter an den Server bei den SWG. Hier werden diese Informationen aufbereitet, visualisiert und an die Nutzer ausgegeben. Im akuten Einzelfall als Nachricht oder für die genauere Betrachtung und Analyse in Form eines übersichtlichen Dashboards, das sich auf einem PC-Bildschirm oder auch auf einem Smartphone gut ablesen lässt. Beispiel Überwachung eines Raums: Sind Fenster und Türen geschlossen? Welche Qualität hat die Raumluft und wie hoch ist die Temperatur? „All diese Parameter lassen sich mit relativ einfachen Sensoren überwachen“, ergänzt Matthias Hery. Steht etwa ein Fenster nach einer festgelegten Uhrzeit noch auf Kipp, sendet das System eine Nachricht an den Hausmeister. Das Thema Raumluft spielt vor allem in Pandemiezeiten eine große Rolle. Meldet beispielsweise der Sensor das Erreichen eines Grenzwerts beim CO2-Gehalt in der Luft, versendet das Dashboard eine E-Mail, die zum Lüften auffordert. „Diese spezielle Anwendung kommt schon in zwei Gießener Schulen zum Einsatz“, erzählt Matthias Hery. LoRaWAN hilft also dabei, das Infektionsrisiko in Klassenzimmern zu senken. Denn weil die Krankheitserreger genau wie das CO2 über die Atmung in die Raumluft gelangen, lässt sich über den Kohlendioxidgehalt sehr genau auf die potenzielle Virenlast der Raumluft schließen.

Stichwort Fenster und Türen: Leider kommt es in letzter Zeit vermehrt zu Einbrüchen und damit verbunden zu Vandalismus. Das kann LoRaWAN zwar nicht verhindern. Aber die Technik trägt dazu bei, dass sich die Straftaten aufklären lassen. Denn die Sensoren dokumentieren nicht nur, dass eine Tür oder ein Fenster geöffnet werden, sondern auch den genauen Zeitpunkt. Und ebender ist für die Polizei nicht selten ein entscheidender Hinweis. Natürlich könnte auch ein Alarm eingerichtet werden, der einen Einbruch meldet.

 

Ausbau nach Bedarf

Matthias Hery und seine Kolleginnen und Kollegen bei den SWG planen derzeit, zusätzliche fünf Gateways über Gießen verteilt zu installieren. Wo genau sie positioniert werden, steht indes noch nicht fest. „Beim weiteren Ausbau gehen wir nach dem Bedarf vor“, erläutert Jens Schmidt, Kaufmännischer Vorstand der SWG.

Jede einzelne Antenne kann die Daten von rund 10.000 Sensoren aufnehmen und weiterleiten. Das Potenzial der im Endausbau zehn vorgesehenen Gateways ist also enorm. Das gilt auch für die schon heute verfügbare Sensorik. Die Kontrolle von Füllständen von Tanks oder Abfallbehältern, der Check der Erdfeuchte in Pflanzkübeln sowie die Bereiche Parkraumüberwachung und -management – all dies und vieles mehr funktioniert schon seit Jahren zuverlässig. Zudem ergänzen sich LoRaWAN und GPS in idealer Weise. Mithilfe dieser Kombination lässt sich immer schnell feststellen, wo sich mit entsprechenden Sendern versehene Gegenstände befinden – etwa Container oder wertvolle Baumaschinen. „Wir nutzen LoRaWAN in Verbindung mit GPS in speziell ausgestatteten Bussen, um die Empfangsleistung unserer Gateways an unterschiedlichen Stellen im Stadtkern zu bestimmen“, beschreibt Matthias Hery einen SWG-Anwendungsfall. Und selbst in der Schädlingsbekämpfung ist LoRaWAN hilfreich: Es gibt Fallen, die melden, wenn sie etwa eine Ratte erwischt haben. Genau an dieser Stelle zeigt sich ein wichtiger Vorteil der LoRaWAN-Technologie – ihre Effizienz macht sie praktisch überall einsetzbar. „Fast alle Sensoren funktionieren mit Batterie“, nennt Matthias Hery ein zentrales Argument.

Die Tatsache, dass sie unabhängig vom Stromnetz arbeiten, erweist sich auch unter einem anderen Gesichtspunkt als vorteilhaft: Die Sensoren lassen sich an schwer zugänglichen Orten anbringen – eben dort, wo es üblicherweise schwerfällt hinzugelangen, um etwas zu checken, wo es aber regelmäßiger Kontrollen bedarf. „Wir haben inzwischen relativ viel Erfahrung gesammelt und können interessierte Unternehmen eingehend beraten“, führt Matthias Hery weiter aus. Um speziell diese Anwendungen an schwierigen Orten zu ermöglichen, müssen die SWG ihr Netz unter Umständen nachrüsten. Denn die Reichweite der Sender sinkt mit der Masse des Baumaterials, das sich zwischen ihnen und dem Gateway befindet. „Solange wir an der Oberfläche bleiben, kommen wir mit 1,5 Kilometern spielend hin. Sendet ein Sensor aber aus einem Keller oder einem Schacht, brauchen wir deutlich kürzere Abstände“, erläutert der Experte. Und ergänzt: „All das haben wir bereits bei unseren ersten Gesprächen mit Interessierten auf dem Schirm.“

 

Auch für andere

Stichwort Erfahrung: Als vergleichsweise großer regionaler Energiedienstleister sind die SWG in der Lage, den Aufbau eines LoRaWAN sowie dessen zuverlässigen Betrieb zu stemmen. Kleinere Stadtwerke können dies nicht leisten, da ihnen üblicherweise die personellen Ressourcen dafür fehlen. Weil aber auch in Kommunen mit weniger Einwohnerinnen und Einwohnern Betriebe ansässig sind, die von der schlauen Funktechnik profitieren können, haben die Verantwortlichen bei den SWG entschieden, ihr Know-how in Sachen LoRaWAN zu vermarkten. Soll heißen: Die SWG kümmern sich als Dienstleister um alles, was mit der zukunftsweisenden Funktechnik zusammenhängt – von der Installation der nötigen Infrastruktur über die Aufbereitung der Daten auf ihren Rechnern bis zum kompletten Service für den Auftraggeber sowie dessen Kundinnen und Kunden. „Wir gehen davon aus, dass sich dieses Geschäftsfeld mittelfristig sehr gut entwickelt. Denn immer mehr Unternehmen erkennen das Potenzial von LoRaWAN“, begründet Jens Schmidt den Schritt. Vor allem im Bereich Zählerwesen rechnen Experten mit hohen Zuwachsraten. Speziell Lieferanten von Fernwärme brauchen künftig fernauslesbare Zähler. Nur damit können sie eine neue Vorgabe zu vertretbaren Kosten erfüllen: Sie sind verpflichtet, im Extremfall pro Jahr zwölf Zählerstände zu übermitteln. „Ohne Fernauslesung lässt sich das nicht wirtschaftlich darstellen“, ist Jens Schmidt überzeugt.

Für das Einsparpotenzial, das sich aus der Übermittlung der Zählerdaten via LoRaWAN ergibt, dürften sich auch Unternehmen in der Wassersparte interessieren. Sie brauchen zwar absehbar keine monatlichen Werte, können mit der schlauen Technik aber trotzdem jede Menge Geld sparen – einfach weil sie niemanden mehr zu den einzelnen Messstellen schicken müssen. Obendrein erhalten sie viel genauere Daten. Denn mit fernauslesbaren Zählern wären sie nicht mehr darauf angewiesen, jemanden persönlich anzutreffen oder darauf zu hoffen, dass Kundinnen und Kunden ihre Zählerstände selbst ablesen und übermitteln.

Um Interessentinnen und Interessenten zu vermitteln, wie die Daten aus den Sensoren aufbereitet und visualisiert werden, haben die SWG ein öffentlich zugängliches Dashboard eingerichtet. Es ist unter www.stadtwerke-giessen.de/dashboard aufrufbar. Unter www.stadtwerke-giessen.de/lorawan finden sich zudem viele nützliche Informationen zum Thema und die zuständigen Ansprechpartner bei den SWG.

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