Seit 2011 erzeugt die Biogasanlage in Großen-Buseck einen hochwertigen und CO2-neutralen Brennstoff. Aus dem entsteht vor Ort Strom und Wärme. Ein Konzept, das auch nach einem Jahrzehnt noch überzeugt.
Die Stadtwerke Gießen (SWG) feiern ein rundes Jubiläum: Zehn Jahre arbeitet ihre erste Biogasanlage. Und das extrem effizient. Seinerzeit stiegen die SWG mit einem völlig anderen Ansatz in die Produktion des natürlichen und CO2-neutralen Brennstoffs ein als praktisch alle anderen Mitbewerber. Und ebendieser eigene Weg erweist sich heute – eine Dekade nach der Inbetriebnahme – als absolut richtig.
Wie bei vielen Jubiläen lohnt sich ein kurzer Blick zurück. In der Zeit, in der die SWG mit den Planungen begannen, entdeckte die Politik Biomasse als Energiequelle. Dank lukrativer Förderungen sattelten zahlreiche Landwirte auf Energiewirt um. Mit allen Auswüchsen, die derartige staatliche Subventionsprogramme nach sich ziehen. Vielerorts spross Mais statt Weizen, Roggen oder Gerste aus dem Boden. Heu wurde knapp. „Für uns stand von vornherein fest, dass wir das Thema anders angehen müssen“, erinnert sich Matthias Funk, Technischer Vorstand der SWG. Als Leiter der Abteilung Fernwärme war er damals tief in das Projekt involviert.
Maximale Effizienz in allen Belangen
Die Tatsache, dass jemand, der sich eigentlich mit der Erzeugung und der Verteilung von Wärme beschäftigt, das Thema Biogas vorantreibt, sagt viel über die spezielle Herangehensweise aus. Denn für die SWG stand nie zur Debatte, Biogas – wie damals üblich – nur zur Verstromung zu nutzen. Ganz entscheidend für den Erfolg der kleinen Anlage ist deshalb die Lage des landwirtschaftlichen Betriebs, auf dessen Gelände sie steht. „Vom Hof der Familie Klos bis zu unserem Wärmenetz in Großen-Buseck sind es nur 1,5 Kilometer“, erklärt Matthias Funk.
Diese Nähe ermöglicht den wirtschaftlichen Betrieb eines Blockheizkraftwerks. Solch ein Aggregat verwandelt das Biogas in Wärme und Strom. Und genau dieser Doppelnutzen ist der wichtigste Faktor für die hohe Effizienz der Gesamtanlage. Die wissenschaftliche Begleitung durch die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. „Unser Ziel war, das beste Substratverhältnis herauszufinden. Kurz: So viel Gülle wie möglich und nur so viel anzubauende Biomasse wie nötig, ohne den Biogasertrag zu schmälern“, bringt es Matthias Funk auf den Punkt. Denn je mehr Gülle die Viehzuchtbetriebe aus der Umgebung für die Vergärung abliefern können, desto weniger müssen sie auf ihre Felder ausbringen. Und je weniger Mais und Gras für den Gärprozess nötig sind, desto mehr Flächen bleiben für andere wichtige Kulturpflanzen verfügbar. „Das Team der THM hat viel experimentiert und Parameter wie die Temperatur und die Drehzahl der Rührwerke verändert, um die beste Mischung zu bestimmen“, erklärt Matthias Funk. Mit Erfolg. Seither füttert Landwirt Dietmar Klos, der für den Gärprozess zuständig ist, die Anlage nach diesen Vorgaben. Er, sein Bruder Marco, der Diplom-Ingenieur Besim Krasnici und die SWG sind die Eigner der 2011 gegründeten MIT.BIO Biogasanlage Großen-Buseck GmbH. Die Technische Leitung hat Joachim Kauß von den SWG inne.
Nicht zuletzt sorgen sinnvolle Details für das letzte Quäntchen Effizienz. Um es in einem BHKW zu verwerten, muss das Biogas möglichst kühl sein. In Großen-Buseck strömt es aus den Gärbehältern – den sogenannten Fermentern – durch eine sich schlängelnde, von kaltem Grundwasser umspülte Rohrleitung. „Wir müssen praktisch keine Energie aufbringen, um die Temperatur auf das nötige Niveau zu senken“, freut sich Joachim Kauß. Beim BHKW selbst haben die SWG-Ingenieure ebenfalls alle Register gezogen und ein als Brennwerttechnik bekanntes Prinzip auf die Anlage übertragen: Mit einem zusätzlichen Wärmetauscher entziehen sie selbst dem Abgas noch Wärme. Was den thermischen Wirkungsgrad von 51 auf 57 Prozent steigert. All dies führte zu einem erfreulichen Resultat: Seinerzeit war die Biogasanlage in Großen-Buseck deutschlandweit die effizienteste ihrer Art.
Als regionaler Energiedienstleister bewegen sich die SWG natürlich vorsichtig auf neuem Terrain. Soll heißen: Obwohl die Berechnungen im Vorfeld ergaben, dass die Anlage grundsätzlich genug Biogas für zwei BHKW produzieren sollte, installierten sie zunächst nur eines. Auch um zu testen, ob der Wärmetauscher im Abgasstrang den nicht ganz alltäglichen Belastungen standhält. Nach gut einem Jahr absolut problemlosem Betrieb kam 2013 ein zweiter, identischer Motor hinzu. Was die Energieausbeute verdoppelte und der SWG-Tochter MIT.BIO die Auszeichnung „BHKW des Monats“ einbrachte.
Wie viel die Biogasanlage in Großen-Buseck zum Klimaschutz vor Ort beträgt, lässt sich mit harten Zahlen belegen: In den vergangenen zehn Jahren entstanden knapp 9,8 Millionen Kubikmeter Biogas aus Stoffen, die ausdrücklich im Erneuerbare-Energien-Gesetz zugelassen sind. Daraus erzeugten die SWG rund 22,6 Gigawattstunden Wärme und etwa 19,7 Gigawattstunden Strom. Was eine enorme CO2-Einsparung zur Folge hat. Sie liegt bei gut 3.000 Tonnen jährlich.
Immer top in Schuss
Seine maximale Effizienz erreicht das Gesamtsystem natürlich nur, wenn alles optimal funktioniert. Deshalb checken die SWG die beiden BHKW spätestens nach 30.000 Betriebsstunden komplett durch – also etwa alle vier Jahre. Besonders erwähnenswert: In Großen-Buseck – wie in allen anderen BHKW – nutzen die SWG ein spezielles Motoröl. Es sorgt mehr als doppelt so lang für die optimale Schmierung der Aggregate. Und verlängert obendrein die Lebensdauer der Motoren. Üblicherweise werden die nach rund 60.000 Betriebsstunden getauscht. „Der erste Motor hat schon die zweite Überholung hinter sich, rund 80.000 Stunden auf der Uhr und läuft immer noch“, erzählt Joachim Kauß. Motor 2 befindet sich aktuell in Revision. Er war bislang 54.220 Stunden in Betrieb.
Kürzlich unterzog die MIT.BIO auch die beiden Fermenter einer vollständigen Revision, bei der die Wände eine neue Beschichtung erhielten. Zudem wurden Rückstände vom Boden entfernt. Auch das dient der Effizienz. Denn das Rührwerk muss jetzt nicht mehr die über die Jahre gewachsene, zähe Schlammschicht mitverquirlen, was den Stromverbrauch spürbar reduziert.
Die Biogasanlage in Großen-Buseck ist ein echtes Highlight in Sachen Klimaschutz. Mit ihr treten die SWG den Beweis an, dass es nicht immer Hochtechnologie braucht, um die CO2-Emissionen massiv zu senken. Denn in vielen Fällen reichen schlaue Lösungen engagierter Ingenieurinnen und Ingenieure, um bewährte Konzepte entscheidend zu verbessern.